Vortrag
Einer immer wieder anzutreffenden Einschätzung zufolge zeichne sich unsere Zeit durch eine zunehmende Moralisierung öffentlicher Debatten aus. Neben empirischen Fragen wirft eine solche Diagnose die vorgelagerte begriffliche Frage auf, was unter der Moralisierung öffentlicher Debatten eigentlich zu verstehen ist. In diesem Vortrag arbeite ich zunächst heraus, dass der in der Moralphilosophie vorherrschende Zugang (der von verschiedenen Erscheinungsformen des Moralismus als individuellem Fehlverhalten ausgeht) dem Phänomen nicht vollumfänglich gerecht wird. Ich werde dann einen Vorschlag machen, wie man die Moralisierung öffentlicher Diskurse argumentationstheoretisch explizieren kann – als emergente moralische Verzerrung der dialektischen Struktur (des rationalen Kerns) eines Diskurses. Abschließend skizziere ich, welche Perspektiven für weitere empirische und moralphilosophische Untersuchungen daraus erwachsen, insbesondere auch bezüglich kollektiver Handlungsprobleme in Diskursen.